Die sichtbare Geschichte unserer Kirche
Weitere Quellen: Zentralarchiv Speyer sowie das Buch „ Großniedesheim - In der Geschichte des Ortes geblättert“

Als einer der ältesten Sakralbauten der Pfalz prägt die Großniedesheimer Kirche schon seit einigen hundert Jahren in ihrer jetzigen Form unseren Ortsmittelpunkt. Ursprünglich war sie als kath. Pfarrkirche zu „Nittelsheim“ dem hl. Petrus geweiht und wurde wahrscheinlich bald nach dem Reichstag zu Worms 1521 mit Einzug der Reformation in eine lutherische Pfarrkirche umgewandelt.
Bei unserer Kirche handelt es sich um eine geostete Saalkirche mit angelehntem Chorflankenturm im Nordosten.

Betrachten wir uns zunächst den alten romanischen Turm.
An seinen 5 Geschossen sind alleine drei Bauperioden zu erkennen.
Der untere Teil des mächtigen Bauwerks - insbesondere im Norden - deutet auf die Reste eines Vorgängers aus der Mitte des 11. Jahrhunderts. Die ersten 4 Geschosse entstanden im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts und bestehen aus kleinen Sand- und Kalksteinquadern, die im ersten und zweiten Stock als Fischgrätenmuster versetzt sind. Das Mauerwerk erinnert an römische Steinversetzungen und zeigt an vielen Stellen noch den alten Verputz. Die einzelnen Geschosse sind durch glatte, nicht hervorstehende Gesimse unterteilt. Das Gesims vom dritten zum vierten Geschoss ist profiliert und zeigt Platte, Kehle und Schräge und ist deshalb etwas jünger. Die Eckquader der unteren Geschosse sind rustikal. Die Eckquader im vierten Geschoss sind fein behauen und im Block versetzt. Im gleichen Geschoss befinden sich Rundbogenfriese. Die Friesbogen ruhen auf kleinen Köpfchen oder Ornamenten. Im dritten und vierten Geschoss trugen alle vier Seiten des Turmes bis zu seiner Renovierung 2007 je ein vermauertes romanisches Fenster, in dessen Mitte sich eine Schießscharte befand. Das abschließende Glockengeschoss und der barocke Helm mit zwei Laternen wurden um 1753 aufgesetzt. Das damalige Geläut bestand aus 2 Glocken, die 1720 bzw. 1752 gegossen wurden.

Umschrift der Glocken von damals:
ANNO 1720 GOS MICH IOHANNES UND ANDREAS SCHNEIDEWIND IN FRANKFURT.
Über und unter der Umschrift befand sich Laubwerk- bzw. Bandwerkfries
Dchm. 68 cm.

ANNO 1752 GOSS MICH IOHANN CASPAR SCHRADER IN WORMBS.
Über der Schrift Rankenfries, unter derselben Gewinde. Dchm. 76,5 cm.

Eine dritte Glocke wurde 1829 angeschafft. Sie wog 10 Zentner.

Durch die Gliederung des 32 m hohen Turms ist die Großniedesheimer Kirche eines der reichsten romanischen Bauwerke in unserer Umgebung.


Das Kirchenschiff
1752 bis 1755 erhielt auch das Kirchenschiff seine heutige Gestalt. Die Westseite des Schiffes ist allerdings bereits dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts zuzurechnen. Das Langhaus hat eine Grundfläche von 120 m² und 150 Sitzplätze. Auf den Emporen hatten damals weitere 70 Personen Platz. Die baulichen Maßnahmen an Turm und Schiff trugen die Handschrift des kurpfälzischen Baumeisters Pfanner und des domstiftischen Wormser Baumeisters Burger.
Im Zug des Umbaues bekam die Kirche auch neue Bänke und eine von einem Holzpfeiler getragene Kanzel. Bei der Renovierung 1974 wurde der Fuß der Kanzel wieder entfernt.
Der barocke Innenraum der Kirche hat eine durchgehende Flachdecke und wird durch große rundbogige Fenster belichtet. Zur barocken Ausstattung gehören auch die heute noch vorhandene Empore hinter der Fassade und die Orgelempore im Chor. Beide Emporen werden durch Holzpfeiler getragen. Eine weitere Empore entlang der Nordseite wurde bei der vorgenannten Renovierung entfernt.
Unter dem Altar im Chor befindet sich eine nicht zugängliche Gruft. Im Kirchenbuch von 1709 ist zu lesen, dass hier die ersten drei Pfarrer sowie der Sohn eines dieser Pfarrer begraben liegen.
Die lange Geschichte unserer Kirche lässt vermuten, dass sie uns wohl eine Menge über die fast 1000 jährige Vergangenheit unseres Dorfes und seiner Bewohner berichten könnte. Eine Reihe von besonderen Funden an und in diesem alten Gotteshauses lassen darauf schließen.
An der Nordseite des Turmes in ca. 3 m Höhe befindet sich eine zugemauerte Tür - der einstige Zugang zum Turm. Fast in gleicher Höhe ist auf einem Eckquader ein stark verwittertes Gesicht zu sehen. Ein weiterer Kopf ist abgehauen worden. Der Namenszug „BABO“ oder „BABOV“ ist hier noch in schwachen Umrissen zu erkennen. Wahrscheinlich handelt es sich hier um das Konterfei des Baumeisters. Weiterhin befindet sich in ca. 10 m Höhe an der gleichen Seite des Turmes ein dunkelbrauner Steinkopf.
Auf der Westseite sieht man einen kleinen als Maske geformten Kopf, der auf den germanischen Gott „DONAR“ schließen lässt. Dieser Gott sollte - in Stein gebannt -keine Gewalt über die Gläubigen ausüben.

Maskengesicht des in Stein gebannten germanischen Gottes „DONAR“

Am Kirchenschiff selbst wurden bei einer vor vielen Jahren vorgenommenen Untersuchung Steinmetzarbeiten aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts sichtbar. Unter anderem ein roter Sandstein, der an der Oberfläche eigenartige mit Spitzeisen eingehauene parallele Linien aufwies. An der Südwestecke, direkt über dem Boden am Eingang ist ein grauer Sandsteinquader vermauert, der das Flechtwerk eines langobardischen Steinmetzes zeigt. Leider ist ein Teil des Ornaments abgehauen oder verwittert. Die ältesten Teile des Wormser Doms vom Anfang des 11. Jahrhunderts sind ebenfalls mit ähnlichen Verzierungen versehen. Auch ein damals freigelegter gelblicher Sandstein, der als „Runenstein“ bezeichnet wird, ist vorhanden. Hier könnte es sich um einen fränkischen Türsturz handeln, der nach seinen Verzierungen dem 7. oder 8. Jahrhundert zuzuschreiben ist. Die früheste Kirchenanlage der Großniedesheimer Kirche könnte nach den beschriebenen Funden in der merowingischen oder karolingischen Zeit (400 – 700) errichtet worden sein. Eine Umgestaltung dieser Anlage ist vermutlich zu Anfang des 11. Jahrhunderts erfolgt.

Langobardisches Flechtwerk aus dem der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts

Der frühere Begräbnisplatz von Großniedesheim befand sich um die Kirche herum. 1821 wurde der heutige Friedhof außerhalb des Dorfes angelegt. Er war von Anfang an von einer Mauer umgeben und wurde im Laufe der Jahre vergrößert.